Galerie Karsten Greve St.Moritz, St.Moritz, 3. April – 19. Juni 2021.
An Ostern eröffnet die Galerie Karsten Greve, morgen Samstag 3. April, eine neue Ausstellung, die sich einer Schlüsselfigur der Chinesischen Abstraktionsmalerei widmet: Ding Yi.
In der Galerie hängen 13 Werke, die ausschliesslich mit Kreuzen übersät sind.
Ding Yi (*1962 Shanghai) steht für chinesische Avant-Garde: er ist ‘der’ Name für chinesische geometrische Abstraktion. In der westlichen Welt wurde er 1993 dem breiteren Publikum bekannt, als er an der Biennale von Venedig teilnahm, im selben Jahr, als auch ebenfalls Greve-Position Louise Bourgeois das Amerikanische Pavillon bespielte und die Biennale, unter Achille Bonito Oliva, zum Thema «the Cardinal Points of Art» kuratiert wurde. Kompassartig werden unumstrittener Weise die Himmelsrichtungen als Kreuz dargestellt…
Abstraktion, Kreuze, Vielschichtigkeit
Ding Yis Abstraktion auf Kreuze ist ein Resultat seines Strebens nach größtmöglicher Einfachheit und größtmöglicher Ferne von kulturellen und kunsthistorischen Zuschreibungen, Kontexten und Symbolik. Abstraktion ist nämlich für Ding Yi mehr als nur eine Maltechnik. Vor Jahren liess er seinen ursprünglichen Namen von «Ding Rong» zu «Ding Yi» ändern, da das Zeichen Yi auch nur aus einem simplen Pinselstrich besteht.
Ähnlich geht es ihm dabei mit dem Kreuz. Ein Symbol, das in der westlichen Welt hochschwanger mit Interpretationspotential aus der religiösen, politischen, geschichtlichen, gar heidnischen Kulturgeschichte ist – für ihn ist das Kreuz seine Art seinen Pinselstrich zu setzen.
Seit über 35 Jahren malt er abstrakte Bilder, ausschliesslich mit den beiden Symbolen + und x, auf die alles heruntergebrochen ist. Diese radikale und konsequente Abstraktion erinnert unwiderstehlich an einen binären Computercode, der eben durch seine maximale Reduktion das Grenzenlose schafft, nämlich durch all seine Kombinationen, alles menschlich Erdenkbares kodieren, ausdrücken und darstellen kann.
Systematisch nimmt allerdings das Auge Form, Farbe und Intensität der Anreihungen der gleichfarbigen Kreuze wahr, um im inneren Auge des Betrachters alles zu Mustern zu verschmelzen: manchmal ausdrücklich von Ding Yi inszeniert als «Überkreuze», einer Summe der einzelnen Kreuzzeichen x und +, manchmal zu inhärenten Kompositionen, die in einer vollkommenen Freiheit aufgehen.
„Systematisch nimmt allerdings das Auge Form, Farbe und Intensität der Anreihungen der gleichfarbigen Kreuze wahr, um im inneren Auge des Betrachters alles zu Mustern zu verschmelzen“
Abstraktion trifft allerdings auf Vielschichtigkeit. Wo sonst in der Malerei komplizierte Sujets auf einer simplen, zweidimensionalen Leinwand sich abflachen, erhebt Ding Yi auf doppelt-gegensätzliche Weise seine binäre Abstraktion in den Raum. Unzählige Farbschichten überlagern sich auf den tragenden Materialien, die von selbstgeschöpftem Papier bis zu Holztafeln rangieren. Die Dimensionalität der Holztafeln verstärkt er sogar durch Einschnitzungen und lässt seine Malerei ins Skulpturale wachsen. Der Betrachter nimmt sowohl die Tiefenwirkung der gesamten Erscheinung wahr, und wird auch aufgefordert, nahe an das Werk heranzutreten, um die Tiefenwirkung der geschnitzten Bildoberfläche, zu erkunden, die sich zu kartografienähnlichen Eindrücken imaginärer Städte entfalten.
Tiefenwirkung der geschnitzten Bildoberfläche
Der Künstler lebt und arbeitet in Shanghai. Ding Yis Werke werden regelmäßig in internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert, so im Januar 2020 in einer Einzelausstellung der Nova Contemporary Gallery, Bangkok, und kürzlich etwa im Long Museum, Chongqing. Seine Werke gehören zum Bestand internationaler Sammlungen, wie zum Beispiel des Centre Pompidou in Paris, der Daimler Collection in Berlin, des Long Museum in Shanghai. Seit 2005 ist Ding Yi als Professor am Shanghai Institute of Visual Arts tätig.
Ding Yi