Zu Lebzeiten sehr bekannt, ruhte Johann Feuersteins Werk gute 70 Jahre. Bis zum Sonntag 8. September zeigt die Curuna Ardez eine Hommage an den Pionier der Engadiner Fotografie, kuratiert von seiner Ur-Enkelin und seinem Ur-Ur-Enkel.
„Der Schweizerische National-Park, 50 Künstlerische Aufnahmen von Johann Feuerstein“ ist ein Fotobuch das 1926 beim Verlag Kunstanstalt Brunner AG erschien. Es gibt wohl den aller besten Eindruck über das Lebenswerk des um die Wende zum 20. Jahrhundert lebenden Unterengadiner Fotografen, dessen Leben und Karriere sehr eng mit dem Schweizer Nationalpark verbunden ist.
Chronist des Schweizer Nationalparks
Schon im jungen Alter von 15 Jahren entschied das Schicksal zugunsten Johann Feuersteins Karriere für die Fotografie. Nachdem Johanns Vater den Verletzungen eines Jagdunfalls erlitt, wurde der Bub zu Verwandten geschickt und kam kurz darauf zum Fotografen Flury nach Pontresina in die Lehre. Dort blieb er 12 Jahre. Flury war für seine atemberaubenden und für die damalige Zeit bahnbrechenden Gletscher- und Gipfelaufnahmen hochgeachtet. Die Ausbildung war hart; Feuerstein durfte nicht nur fotografisch assistieren, sondern musste auch sonst seinen Meister rundum unterstützen, die Glasplatten und riesige Kameras die Gipfel hochtragen.
1898 kehrte Johann Feuerstein ins Unterengadin zurück und eröffnete in Scuol eine Fotowerkstatt. Doch auch Feuerstein war ein typischer Randolin seiner Zeit, der das Engadin verliess um in München sich akademisch ausbilden zulassen. Nach dem dortigen Meisterdiplom eröffnete er 1912, zurück in Scuol, ein Fotogeschäft, das später von seinen Söhnen übernommen werden würde und das es heute noch gibt.
Am aller engsten wurde allerdings sein Leben und das Leben seiner Familie, mit dem 1914 gegründetem Schweizer Nationalpark verbunden. Er wurde nicht nur der damalige „Fotoreporter“, sondern erwarb auch mit seiner Frau gemeinsam eine Gaststätte in der unmittelbarer Nähe des Parks, sodass diese zum gesellschaftlichen Knoten des Schweizerischen Nationalparks wurde.
Feuerstein hielt das Unterengadin, die Natur, den Menschen, wie er lebt und den Gesellschaftlichen Fortschritt, über die Jahre, akribisch, mit seiner Linse fest. Schon zu Lebzeiten genoss er als Fotograf einen über die Grenzen des Engadins reichenden Ruhms. In der Schweiz, in Deutschland und in Österreich hatte er an vielen Fotografie Ausstellungen teilgenommen und hatte viele Ehrungen nach Scuol zurückgebracht.
Dynastie
Als Johann Feuerstein 1946 mit 75 Jahren verstarb, hinterliess er nicht nur ein einmaliges Fotografisches Werk, sondern Nachkommen, die sein Geschäft und seine Karriere weiterentwickeln würden: es stechen besonders heraus Sohn Domenic Feuerstein (Fotograf und Autor), Enkel Jon Feuerstein (Fotograf und Mitgründer des damaligen vierfarb-Postkartengeschäfts Engadin Press) und Enkel Domenic, genannt „Mic“ Feuerstein. Mic hatte seine jungen Jahre im elterlichem Geschäft verbracht, bevor er sich entschied eine Karriere im Film einzuschlagen. Er trat eine Stelle als Kameramann beim Schweizer Fernsehen an. Später arbeitete er als selbständiger Programmitarbeiter beim Televisiun Rumantscha, drehte viele Tier- und Naturdokumentarfilme und wirkte auch an einigen Spielfilmen mit.
Seine Urenkelin, die Künstlerin Seraina Feuerstein und sein Ur-Urenkel, Kurator und Kunstberater Romeo Bucher, kuratierten gemeinsam die aktuelle Ausstellung in der Curuna Ardez.
2019, Hommage à Johann
Eigentlich ist die aktuelle Ausstellung als Kapitel eines längerfristigen Projekts zu verstehen, das mit der Fundaziun Feuerstein zusammen, das Werk Johann Feuersteins zeigen will und der Öffentlichkeit zugänglich machen soll.
Für die Bündner Jahresausstellung 2016 – 2017, mit dem Thema „Archiv“, hatte Feuersteins Enkelin Seraina Feuerstein eine Dia Show von circa 350 Fotografien ihres Grossvaters gezeigt.
Nun knüpft die Ausstellung in Ardez „Johann Feuerstein – Fotografias da l’Engiadina“ daran an. Insgesamt werden ab kommenden Samstag ca 70 Arbeiten vom Werk Johann Feuersteins zu sehen sein. Circa 40 „Vintages“, Originalfotos aus der Privaten Sammlung der Familie, sind sicherlich die Schmakerl für Fotografie-Passionierte. Drei Originale halten den Momentung der Gründungsrede des Nationalparks in 1914 von Professor Schroeter fest. 28 grossformatige Inkjets wurden aus den original Glasplatten (aus dem Staatsarchiv und im Eigentum der Fundaziun Feuerstein), speziell für diese Ausstellung produziert.
Die ausgestellten Motive sollen über Feuersteins Gesamtwerk reflektieren lassen. Er wollte das Engadin nicht nur von der piktoralen Seite zeigen, sondern die Menschen wie sie gelebt haben. Wichtige Zeitzeugen Fotos zeigen die Brände von Sent (1921) und von Susch (1925); die Gründung des Nationalparks, besonders das Aufkommen des Tourismus. „Denn mit der Entwicklung des Bädertourismus kamen überhaupt die reichen Leute mit ihren Karrossen“ wie Seraina Feuerstein erklärt. Der gesellschaftliche Fortschritt mit dem Bau der Albulalinie und die ebenerwähnte Entwicklung des Automobils finden einen grossen Niederschlag in vielen Fotos, mit Autos. Aber vor allem war Johann Feuerstein Natur verbunden. Er liebte Jagdszenen und porträtierte die Bauern und die grossen Jäger seiner Zeit, wie seinen Verwandten Clà Feuerstein, der sowohl als Original und als vergrössertes Inkjet zu bestaunen ist.
Perfekte Portraits. Historische Szenen. Minutiös kalkulierte Kompositionen. Auch für die Hobbyfotografen unserer Zeit ist die Ausstellung eine spannende und fast mahnende Vergegenwärtigung, dass, vor dem digitalen Zeitalter, die Fotografie viel bewusster war: jedes Sujet wurde vorab studiert, jeder Schuss musste sitzen, denn man hatte nur… einen Schuss.
Info: www.curuna-ardez.com
Öffnungszeiten: jeweils Freitags bis Sonntags 14.00 bis 17.00 Uhr.
Finissage mit Apéro 8. September 14.00 – 18.00 Uhr.