Die Jahresausstellung der Bündner Künstler*innen in Chur ist eine der Ausstellungen, die besonders unter den Restriktionen von Corona litt. Sehr sehr schade, denn 2021 würdigt die Jury* einige neue Positionen, und präsentiert eine sehr sanfte Ausstellung mit viel Schwarz/Weiss, viel Photographie, sehr naturbezogen und umweltbewusst – fast spürt man ein Gefühl, das sich mit den Künstlern verbrüdert, und wie gemeinsam der Atem der Pandemie innehält, und die Gedanken tiefer und tiefer um die Identität unserer Bündner Umwelt kreisen.
( * Jurymitglieder 2021:
- Simona Ciuccio, Sammlungskuratorin Aargauer Kunsthaus Aarau
- Zilla Leutenegger, Künstlerin, Vorstand BKV
- Basile Specker, Architekt, Mitglied BKV
- Thomas Spielmann, Kunstsammler, Mitglied BKV
- Dominik Zehnder, Künstler, Vertreter Visarte Graubünden )
Eine starke Vertretung des Engadins
Mirko Baselgia
„Autolyse“Fiorio Puenter
„Sainza Titel“
11 der 46 von der Jury selektierten Bündner Künstler sind Engadiner oder haben einen Bezug zum Engadin,
und der Bündner Künstpreis 2021 geht an den in Sta Maria in der Val Müstair wohnenden 49-jährigen Künstler Pascal Lampert.
Alphabetisch:
1. Guido Baselgia (Chur *1953, lebt in Malans, ist in Pontresina aufgewachsen) lädt zu einem Verwirrspiel mit seiner Camera Obscura ein. Was ist positiv, was negativ ? ist das Weisse nun Schwarz und das Schwarze nun Weiss oder ist die Nacht nun hell, der Tag schattig oder ist alles gar akkurat?
2. Mirko Baselgia (Davos *1982, lebt in Vaz – vertreten durch 2 Galerien mit Standort Engadin: Galerie Urs Meile, Luzern – Beijin – Ardez, und Stalla Madulain, Madulain) portraitiert Tintlinge mit ihrer eigenen Tinte im Moment kurz bevor ihres Ablebens. Als würde man einen Menschen mit seinem eigenem Blut verewigen.
3. Flurin Bischoff (Scuol *1955), lebt in Lavin.
4. Gerber / Bardill (Gabriela Gerber *1970 & Lukas Bardill *1968). Das Duo schleicht sich mit seine Mäuse-Installation, die an ihre Installation der Kunstwege Pontresina 2020 anknüpft, mucksmäuschenstill ins Museum. Wie Aristoteles schon im 4. JH v. Chr. schrieb – ist der Mensch ein „Zoon Politikon“ ein „Gesellschaftstier“. Fast wirft das Werk die Frage auf, ob wir durch die Pandemie neue Blicke auf Werke entwickeln. Hatten wir vor der Pandemie die Ästhetik eines Werkes im Fokus, gar die Heiterkeit der Idee, schauen wir heute mit einem amüsierten Auge, einem schweren Herzen, einem sehnsüchtigen Auge und mit gar etwas Neid zu diesen Mäusen, die sich sorglos mit Ihresgleichen tummeln.
5. Pascal Lampert (Winterthur *1972), lebt in St. Maria. (Absatz 2)
6. Miyeon Lee (Jeonju, Südkorea *1980) hat das Engadin als Motiv genommen. Spazieren im Engadiner Wald – in the Engadin Woods – spätestens seit Nietzsche eine Gleichstellung mit ritualhaftigem Philosophieren.
7. Catrin Lüthi K (Scuol *1953), lebt in Riehen. „Gletscherzungenstücke“. Wenn die Eisberge an den Polen mit grossem Krach abbrechen, ist das Echo bei den Mensch durchaus noch zu erhaschen. Doch das subtil gefährliche Abschmelzen der Gletscher scheint das Bewusstsein der Menschen noch hinterherjagen zu müssen….
8. Sara Masüger (Baar *1978) Engadinliebhaberin, wird von der Engadiner Galerie Stalla Madulain vertreten.
9. Daniel Meuli (Samedan *1977), lebt in Silvaplana. Mit selbstgebauten Camera Obscuras operiert er aus dem Engadin eine schon fast wissenschaftliche Studie des Engadins heraus. Mit atemberaubenden analogen Fotografien versucht er immer wieder die Grenzen sowohl der Technik der Fotografie und der Analyse durch Fotografie neu zu überwinden. Mit jeder neuen Serie entsteht ein neuer Blick auf ein Sub-Teil des Körpers Engadin. Was macht das Engadin aus ? Die Berge, das Licht, der Schnee, das Wasser, die Lärche. Unter die Linse kamen diesmal die Herbstschneebälle aus Sils, die Silser Kugeln:
Werden Sein Vergehen.
Zwei Silserkugeln.
Sie werden geboren.
Sie werden rund. Sie leben.
unter Wasser.
Geärntet, leben sie in Stuben weiter, als ewiger Schrein.
oder sie zerschellen und zerreiben sich zu Tode.
Zwei Kometen aus den Tiefen des Silsersee,
die einschlagen wie ein Naturgezwinker,
als würde die Seengewalt immer wieder die Menschen überraschen wollen, wozu sie noch zustande ist.
Trügerisch Flauschig – Stechendes Wesen.
Wie ein hinterlistiger Gruss, des Herbstes, der sich heimtückisch recht.
Perfekt rund.
Perfekt komplementär.
Schwarz weiss.
Rauf runter.
Eingefangen auf der immersichdrehenden Laufbahn.
Die Natur ist zyklisch, nichts hält sie an,
Werden sein vergehen.
Oder doch?
Im Einklang mit den Jahreszeiten.
Im Einklang mit den Lebenszeiten.
Im Einklang mit sich selbst.
Aus dem Leben gerissen.
Nur eine messerscharfe Momentaufnahme
Durchbricht das Hamsterrad
Und sucht sich einen Zustand aus, den sie verewigt.
Werden Sein Vergehen. Ausbruch. durch Abstraktion. c.a.g.
10. Florio Puenter (Scuol *1964), lebt in St. Moritz und New York. Nicht wegzudenken aus dem Bündner Kunstmuseum ist seine „proto-antropozäne“ Fotografie des Silver Sees. Wie sähe das Engadin aus, wären die Menschen nicht. Wie sähe nun ein ewiger Blumenstrauss aus, würde er nicht welken?
11. Patrick Salutt (Susch *1992), lebt in Hamburg.
Guido Baselgia
„Lichteinfälle I, II, II“Miyeon Lee:
„Engadin Woods“
Flurin Bischof
„cuntradettas“Catrin Lüthi K
„Gletscherzungen“
Bündner Kunstpreis 2021 geht an den in Sta Maria wohnenden Künstler Pascal Lampert
(Text Bündner Kunstverein) : Pascal Lampert (*1972) ist der dritte Preisträger des Kunstpreises des Bündner Kunstvereins. Die Förderung beinhaltet eine Einzelpräsentation im Bündner Kunstmuseum im Rahmen der Jahresausstellung der Bündner Künstlerinnen und Künstler 2021/2022 und die Herausgabe einer Publikation. Dank der Unterstützung unserer Mitglieder kann der Bündner Kunstverein diesen Kunstpreis seit drei Jahren vergeben.
Pascal Lampert ist aufgrund seines familiären Hintergrunds eng mit dem Kanton Graubünden verbunden. Der Künstler lebt und arbeitet in Sta. Maria Val Müstair und beteiligt sich regelmässig an Ausstellungen in Graubünden. Der flüchtige Moment spielt im performativen und installativen Schaffen von Pascal Lampert eine zentrale Rolle. Oftmals arbeitet er mit Wasser. Auf trockenen Mauern, Strassen oder Plätzen hinterlässt er mit selbstgebauten Instrumenten vergängliche Spuren. Auch in der neuesten Arbeit StROM (2020), gezeigt in der aktuellen Jahresausstellung im Bündner Kunstmuseum (bis 28. März 2021), spielt Wasser eine wichtige Rolle. Entlang des Talbachs im Val Müstair entdeckt Lampert Eingriffe in die unberührte Natur, die zwecks Nutzung des Bachs zur Stromgewinnung stattfinden. Pascal Lampert dokumentiert die Arbeiten und übersetzt sie in eine grossformatige Videoinstallation.
Der Bündner Kunstverein würdigt die poetischen und gleichzeitig präzisen Untersuchungen des öffentlichen Raumes und ist beeindruckt von Lamperts Begehungen und Erkundungen unserer Lebensräume, aus denen subtile, aber aussagekräftige Zeitzeugnisse hervorgehen.
Die Ausstellung von Pascal Lampert findet im Rahmen der nächsten Jahresausstellung der Bündner Künstlerinnen und Künstler statt und die Publikation wird dem Künstler an der Eröffnung übergeben.